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Zwangsvereinigung
Die erzwungene Vereinigung von SPD und KPD
Durch den „Befehl Nr. 2“ hat die Sowjetische Militäradministration in Deutschland (SMAD) „die Schaffung und Tätigkeit aller antifaschistischen Parteien“ in ihrem Machtbereich erlaubt. Daraufhin erließen am 11. Juni 1945 das Zentralkomitee der KPD und am 15. Juni 1945 der Zentralausschuß (ZA) der SPD in Berlin Gründungsaufrufe. Die Sozialdemokraten traten in diesem Aufruf für die organisatorische Einheit mit den Kommunisten ein; in der Sozialdemokratie, auch in den Westzonen, traf der Gedanke der Einheitspartei durchaus auf Resonanz, die allerdings mehr emotional als politisch-programmatisch begründet war. Der KPD-Aufruf enthielt dagegen ein Bekenntnis zur parlamentarischen Demokratie und forderte die Errichtung eines „antifaschistisch-demokratischen Regimes“ mit allen Rechten und Freiheiten für das Volk.
Obwohl die KPD im Gegensatz zur SPD von der SMAD in jeder Beziehung massiv unterstützt wurde, erreichte die SPD in ihren traditionellen Zentren ihre ehemalige Stärke, baute trotz aller Behinderungen ihre Organisation und in einigen Gebieten ihre Presse auf und gewann soviel Selbstbewußtsein, daß im September 1945 Otto Grotewohl, der Vorsitzende des ZA, einen eigenständigen Führungsanspruch der SPD zum Ausdruck brachte.
An der von Kurt Schumacher, dem fahrenden Mann der SPD im Westen, für den 5. und 6.Oktober 1945 nach Wennigsen bei Hannover einberufenen Konferenz nahmen Delegierte aus den drei Westzonen und als Gäste Vertreter des Berliner Zentralausschusses und des Londoner Exil-Vorstandes der SPD teil. Schumacher setzte sich mit seiner Entscheidung durch, dem Berliner ZA eine Zuständigkeit nur für die sowjetische Besatzungszone zuzugestehen, was Grotewohl und die anderen ZA-Mitglieder enttäuschte und ihre Position schwächte.
Kurz vor der Wennigser Konferenz hatten die Kommunisten ihre Taktik geändert. Wahrscheinlich wegen der zunehmenden Resonanz, die Sozialdemokraten in der SBZ fanden – der so entstandene Eindruck wurde später noch verstärkt durch die Wahlniederlagen der Kommunisten in Österreich und in Ungarn -, waren es nun die SMAD und die KPD, die auf die organisatorische Verschmelzung mit der SPD drängten. Die ihnen reichlich zur Verfügung stehenden Mittel setzten sie ein, um auf die Sozialdemokraten Druck auszuüben. Die Reaktion der Sozialdemokraten in der SBZ war eine wachsende, jedoch nicht einmütige Ablehnung des Zusammenschlusses mit den Kommunisten. Ein vom Berliner ZA-Mitglied Erich Gniffke unternommener Versuch, in einem Gespräch mit Schuhmacher die Unterstützung der Westzonen-SPD für den ZA zu gewinnen, um dessen Position gegenüber den Kommunisten zu stärken, blieb erfolglos.
Einen entscheidenden Schritt zur organisatorischen Verschmelzung bildete die von den Kommunisten initiierte Konferenz in Berlin am 20./21. Dezember 1945, die von je dreißig Vertretern der SPD und der KPD beschickt wurde, die „Sechziger-Konferenz“. Grotewohls Beschwerde über den „undemokratischen Druck“ auf die Sozialdemokraten und seine Erklärung, daß erst nach „vorbehaltloser Aufgabe aller unzulässiger Einflussnahme auf die SPD“ der ZA zur Vorbereitung der Einheit in der Lage sei, wurde nicht von allen SPD-Delegierten unterstützt. Die auf der Konferenz offensichtlich gewordenen Meinungsverschiedenheiten unter den Sozialdemokraten trugen dazu bei, daß die Kommunisten ihre Resolution für eine baldige Vereinigung beider Parteien mit einigen Konzessionen an die Sozialdemokraten durchbringen konnten.
Einen Versuch, die Absichten der KPD zu durchkreuzen, unternahm die SPD in Berlin. In einer Urabstimmung, die im Ostsektor der Stadt vom sowjetischen Stadtkommandanten verboten wurde, legte sie ihren Mitgliedern zwei Fragen vor: „Bist Du für den sofortigen Zusammenschluß beider Arbeiterparteien?“ Dies wurde von 82,2% der Abstimmenden (23 755 Sozialdemokraten) verneint. Hingegen bejahten 62,1% die Frage: „ Bist Du für ein Bündnis beider Parteien, welches gemeinsame Arbeit sichert und den Bruderkampf ausschließt?“ Dieses Ergebnis einer Abstimmung von Sozialdemokraten, die nicht wie in der SBZ unter Pressionen und Bedrohungen standen, zeigte ihre Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Kommunisten, wenn die SPD dabei ihre Eigenständigkeit und Gleichberechtigung wahren könnte.
Der sozialdemokratische Widerstand gegen eine organisatorische Vereinigung mit der KPD entsprach so sehr einer weitverbreiteten Stimmung, daß sich die Zahl der SPD-Mitglieder in der SBZ und Berlin von 376 000 Ende Dezember 1945 bis Ende März 1946 auf 680 000 erhöhte. Die Stabilisierung der Sozialdemokratie als führende politische Kraft verstärkte die Entschlossenheit der Kommunisten, mit Hilfe der Besatzungsmacht den Einfluß der SPD auszuschalten. Am 21./22. April 1946 fand in Berlin der Vereinigungsparteitag statt, also die Gründung der Sozialistischen Einheitspartei Deutschland (SED), und damit das Ende der SPD in der SBZ/DDR. Nur im Ostsektor Berlins bestand sie bis 1961 weiter.
Quelle: Materialien. Die zwangsweise Vereinigung von KPD und SPD. Eine Argumentation der Grundwertekommission beim Vorstand der SPD, 2. Aufl. 1994
Artikel und Reden über die Zwangsvereinigung und die Gedenkfeier 1996
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